Abmahnung erhalten?

Gesetzesinitiative gegen Abmahnmißbrauch

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Leutheuser-Schnarrenberger will gegen mißbräuchliche Abmahnungen vorgehen

Das Bundesministerium der Justiz hat heute folgende Pressemitteilung veröffentlicht: „Die Beschwerden über die wachsende Zahl missbräuchlicher und überzogener Abmahnungen reißt nicht ab. Gerade Kleinunternehmer, die auf der eigenen Internetseite oder über Plattformen wie Ebay und Amazon Handel treiben, geraten durch überzogene Abmahnkosten schnell in finanzielle Bedrängnis.“ Damit solle nun Schluss sein, so die Ministerin. Das Bundesjustizministerium werde demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen, der den finanziellen Anreiz für solchen Abmahnungen reduzieren soll.

Der Gesetzentwurf soll vor allem kleinen Händlern und Existenzgründern helfen, die sich mit dem Internethandel eine Existenz aufbauen oder ein neues Geschäftsfeld erschließen wollen. Da moderne Software auch geringste Wettbewerbsverstöße im Internet mit wenig Aufwand aufspürt, wurden auch Bagatellverstöße in der Vergangenheit oft massenhaft abgemahnt. Leutheusser-Schnarrenberger erklärt die Verbesserungen, die das Gesetz bringen soll: „Die Abmahnkosten werden niedriger, weil wir im Gebührenrecht die entscheidenden Stellschrauben verändern. Die Gegenstands- und Streitwerte werden so angepasst, dass die Abmahnkosten nicht mehr aus dem Ruder laufen können.“ Nach geltendem Recht kommt es außerdem zu „fliegenden Gerichtsständen“, so dass Existenzgründer vor Gerichten weit weg von Niederlassung oder Wohnsitz verklagt werden. „Das forum shopping bei der Gerichtswahl wird beendet“, erläutert die Bundesjustizministerin. Außerdem sollen missbräuchlich Abgemahnte einen eigenen Anspruch auf Kostenersatz erhalten.

Auch im Urheberrecht soll der Abmahnmissbrauch eingedämmt werden. „Anwaltliche Geschäftsmodelle, die allein auf die massenhafte Abmahnung von Internetnutzern ausgerichtet sind, drängen den eigentliche Abmahnzweck, nämlich berechtigte Interessen unbürokratisch außerhalb von Gerichtsverfahren einfordern zu können, immer weiter in den Hintergrund“, so Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

„Nach der Buttonlösung gegen Internetabzocke von Verbrauchern ist das energische Vorgehen gegen missbräuchliche und überteuerte Abmahnungen der nächste Baustein für einen insgesamt verbraucher- und unternehmerfreundlicheren Onlinehandel.“ („Quelle BMJ“:http://www.bmj.de/DE/Home/_doc/kurzmeldungen/20111103_Besserer_Schutz_gegen_ueberzogene_Abmahnungen.html;jsessionid=1F702786A4A90578D164EBA06E2A2CB5.1_cid155?nn=1356288)

BODEN Rechtsanwälte begrüßen das Vorhaben, gegen missbräuchliche Abmahnpraktiken gezielter vorzugehen. Dort, wo nur noch das wirtschaftliche Interesse des abmahnenden Anwalts und des von ihm Vertretenen- sofern dieser überhaupt das Ausmaß der Abmahnungen kennt- im Vordergrund steht, kann von einem Interesse an einem fairen und ausgewogenen Wettbewerb, wie es das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verfolgt, nicht mehr die Rede sein. Eine geplante Gesetzesänderung erfordert eine differenzierende Betrachtung. Viele der Regelungen, die massenhaft abgemahnt wurden und werden, z.B. fehlerhafte Widerrufsbelehrungen oder unzureichende Preisangaben, sind erst durch immer wieder neue Gesetzesänderungen zu einem handfesten Problem für Onlinehändler geworden. Ab 05.11.2011 müssen Online Händler einmal mehr eine geänderte Widerrufsbelehrung beachten, die dritte Änderung innerhalb von 2 Jahren. Zudem wurden den Gerichten durch die Umsetzung europarechtlicher Richtlinien in das deutsche Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb faktisch die Möglichkeit genommen, Bagatellverstöße als solche zu erkennen und hierzu erfolgende Abmahnungen abzuschmettern. Denn seit der letzten Änderung im Dezember 2008 gilt im Ergebnis jeder Verstoß gegen Verbraucherinformationspflichten als gewichtiger Verstoß im Sinne des UWG. Das Bundesjustizministerium bekämpft nun die Geister, die es rief. Die Abschaffung des so genannten fliegenden Gerichtsstandes wäre durchaus begrüßenswert. Es ist nicht vermittelbar, wenn ein Händler aus Leipzig einen Münchner abmahnt und das Ganze vor dem Landgericht Hamburg geklärt werden soll. Beim Wettbewerbsrecht handelt es sich jedoch weiterhin um eine Spezialmaterie. Viele Richter bei Landgerichten, die nicht tagtäglich mit wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen konfrontiert sind, wären schlichtweg überfordert. Es ist notwendig, wie bei markenrechtlichen und urheberrechtlichen Streitigkeiten,  Gerichte als für bestimmte Bezirke örtlich ausschließlich zuständige  zu benennen. Weiter geben wir zu bedenken, dass eine Sanktionsfreiheit wettbwerbsrechtlicher Verstöße eine Beschneidung von Verbraucherrechten bedeuten kann. Die Angst vor Abmahnungen hat viele Online Händler sensibilisiert und dazu geführt, Shops verbraucherrechtlich konform zu betreiben. Wenn Händler zukünftig nicht mehr mit merklichen Sanktionen rechnen müssen, kann dies zu einem laxen Umgang mit rechtlichen Informationen zu Lasten der Verbraucher führen. Richtig und wichtig ist es hingegen, den Abmahnenden mit der Gefahr des Schadensersatzes bei ungerechtfertigten Abmahnungen zu konfrontieren. Der Abmahnende wird es sich so zweimal überlegen, wegen absoluter Bagatellen abzumahnen, vor allem werden diese Abmahnungen dann nicht mehr hundertfach versandt werden. Fazit. Ein richtiger Schritt, bei dem zu hoffen ist, dass die Politik nicht über das Ziel hinausschießt.

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