Abmahnung erhalten?

Das Schicksal der Unionsmarke nach dem Brexit

Die Unionsmarke, früher Gemeinschaftsmarke, erfreut sich höchster Beliebtheit. Gleiches gilt auch für das europäische Geschmacksmuster. Mit nur einer Anmeldung kann im gesamten Gebiet der Europäischen Union (28 Mitgliedsstaaten) Markenschutz beansprucht werden – und dies zu einem vergleichsweise günstigen Preis. Die weitgehende Harmonisierung der nationalen Markenrechte der EU Mitgliedsstaaten haben dazu geführt, dass Anmelder im gesamten Gebiet der Europäischen Union einfach und kostengünstig Markenschutz erwerben können, mit einer Rechtssicherheit, die den eigenen nationalen Vorschriften in weiten Teilen gleicht. Noch ist Großbritannien Teil der Europäischen Union und Inhaber von Unionsmarken haben mit der Eintragung ihres Schutzrechts auch Markenschutz in Großbritannien erworben. Nun ist die Unsicherheit groß, welches Schicksal der Brexit für die Unionsmarke bereithält.

Nach vollzogenem Brexit haben Unionsmarken in GB keinen Schutz

Am 23. Juni 2016 haben die Briten für den Brexit, den Austritt aus der Gemeinschaft der Europäischen Union, votiert. Der Austritt soll am 29. März 2019 vollzogen sein; allerdings laufen die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien bekanntermaßen mehr als schleppend. Für einen geordneten Brexit bis März 2019 liegen die Verhandlungsparteien schon jetzt zu weit hinter dem Zeitplan. Ein „chaotischer Brexit“ wird immer wahrscheinlicher. Der Austritt eines Mitgliedstaates aus der Europäischen Union ist bisher noch nicht vorgekommen. Es gibt daher keine Erfahrungswerte oder gesetzliche Regelungen, die die Lösung Großbritanniens aus der Europäischen Union begleiten könnten.

Mit Vollzug des Brexit werden Unionsmarken in Großbritannien keinen Schutz mehr entfalten. Zumindest gilt dies für Neuanmeldungen nach dem Austritt Großbritanniens. Das bedeutet natürlich nicht, dass Markenanmelder künftig keine Schutzrechte mehr in Großbritannien erwerben können. Natürlich können über entsprechende Inlandsvertreter nationale Markenrechte angemeldet werden. Großbritannien ist ebenfalls Mitglied des sogenannten Madrider Systems, so dass nationaler oder europäischer Markenschutz auch auf diesem Weg auf Großbritannien erstreckt werden kann. In Zukunft werden Markenanmelder im Rahmen ihrer Anmeldestrategie mit Großbritannien umgehen müssen, wie schon jetzt mit der Schweiz oder Norwegen, die ebenfalls nicht Mitglied der Europäischen Union sind.
Was aber geschieht mit europäischen Schutzrechten, die bereits angemeldet oder eingetragen sind, bevor der Brexit vollzogen ist? In Ermangelung gesetzlicher Regelungen bleibt nur der Blick in die Kristallkugel und die Hoffnung, dass sich die Nebel bald lichten, damit Markeninhaber strategische Entscheidungen in Bezug auf ihre Schutzrechte in Großbritannien treffen können.

Welche Übergangslösung ist die richtige?

Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Modelle, die als Übergangslösung diskutiert werden. Alle Modelle haben Vor- und Nachteile und verdeutlichen die vielschichtigen Probleme der Lösung eines Mitgliedsstaates aus der Union. Diskutiert wurden bereits unterschiedlichste Übergangsmodelle, wobei sich die Modelle mit den klangvollen Namen „Montenegro“ und „Tuvalu“ als die wahrscheinlichsten herausgestellt haben.

Mit dem Modell „Montenegro“ würden alle bestehenden Unionsmarken als nationale britische Marken in das britische Register mit dem gleichen Schutz und gleichem Eintragungsdatum übernommen. Die Markeninhaber müssten für den Fortbestand Ihrer Marke in Großbritannien nichts weiter veranlassen.

Das „Tuvalu“ Modell sieht vor, dass grundsätzlich der Unionsmarkenschutz in Großbritannien mit dem Vollzug des Brexit endet. Innerhalb einer Frist können Unionsmarkeninhaber jedoch beantragen, dass ihre Markenrechte in das britische Register aufgenommen werden; dies wahrscheinlich gegen Zahlung einer Gebühr. Das Übertragungsrisiko und die Kosten für die Übernahme gingen dann zu Lasten der Unionsmarkeninhaber.

Im Gegensatz zu der „Montenegro“ Lösung hätte diese Variante zu Gunsten des nationalen britischen Registers den Vorteil, dass nicht automatisch ungenutzte „europäische Karteileichen“ das britische Register blockieren. Darunter wären solche Marken zu verstehen, die z.B. in diversen europäischen Mitgliedsstaaten gewerblich genutzt werden, jedoch nicht in Großbritannien. Einem britischen Anmelder wäre bei einer automatischen Übertragung die Anmeldung einer identischen oder ähnlichen Marke verwehrt. Mit „Tuvalu“ könnte weitestgehend sichergestellt werden, dass nur Unionsmarkeninhaber eine Übertragung in das britische Register beantragen, die an einem Fortbestand ihres Markenschutzes in Großbritannien tatsächlich Interesse haben.

Wichtig für Unionsmarkeninhaber

Was Unionsmarkeninhaber in beiden Konstellationen jedoch nicht unterschätzen sollten, ist dass das britische Markenrecht im Gegensatz zur fünfjährigen Benutzungsschonfrist der Unionsmarke bereits bei Anmeldung eine Erklärung über die ernsthafte Benutzungsabsicht fordert. Insofern besteht einerseits die Besorgnis auf britischer Seite, dass das Register mit unbenutzten „Karteileichen“ überschwemmt wird, andererseits dürften sich nationalisierte Unionsmarken vermehrt Angriffen wegen Nichtbenutzung in Großbritannien ausgesetzt sehen.

Zu beachten gilt für Unionsmarkeninhaber darüber hinaus, dass es künftig erforderlich sein wird, einen Vertreter in Großbritannien für die Korrespondenz in Bezug auf Verlängerungen der Schutzfristen und die Durchsetzung von Markenrechten zu benennen. Diese Regelung gilt in nahezu jedem Land, wenn Ausländer eine nationale Marke beanspruchen wollen. Insofern gibt es kein Argument, warum Großbritannien in Bezug auf die nationalisierten Unionsmarken anders verfahren sollte. Hier können nicht unerhebliche Kosten für den Unionsmarkeninhaber entstehen, zumal britischen Rechtsanwälten nachgesagt wird, in Bezug auf die Höhe ihrer Kostennote nicht zimperlich zu sein.

Ein weiteres ungelöstes Problem sind etwaige Übergangsfristen. Egal, ob sich die Europäische Union und Großbritannien am Ende auf „Montenegro“, „Tuvalu“ oder ein anderes Modell einigen, jedes Modell wird eine Lösung zu Übergangsfristen finden müssen. Diese Lösungen müssen unter anderem Antworten auf die Fragen der Weiterbehandlung von Unionsmarkenanmeldungen, anhängiger Widerspruchs- und Verletzungsverfahren, rechtskräftiger Urteile, den Umgang mit Senioritäten nationaler Marken und vieles mehr beantworten.

Sicher ist, dass der Trennungsprozess in Bezug auf das Schicksal der Unionsmarken nicht einfach ist. Der prognostizierte „chaotische Brexit“ wird auch in diesem Feld erhebliche Probleme für Markeninhaber mit sich bringen. Für Unionsmarkeninhaber ist es daher wichtig, sich auf der Grundlage der bereits andiskutierten möglichen Übergangsmodelle und vor dem Hintergrund der Konsequenzen eines „chaotischen Brexit“ schon jetzt Gedanken über unterschiedliche Strategien zum Markenschutz in Großbritannien zu machen.

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