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Die Kaufrechtsreform 2022

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Mit dem neuen Kaufrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch setzt der Gesetzgeber die sogenannte „Warenkaufrichtlinie“ der EU um. Kern der Änderung ist die Neufassung des Sachmangelbegriffs aus § 434 BGB sowie die Erstreckung des Mangelrechts auf digitale Inhalte. Auswirkungen haben die Gesetzesänderungen insbesondere auf das Gewährleistungsrecht sowie die Garantien.

Weitere wesentliche Änderungen nahm der Gesetzgeber hinsichtlich der Verbraucherverträge über digitale Produkte gemäß §§ 327 ff BGB n.F. vor. Ziel war hier die Verbraucherrechte ein weiteres Mal zu stärken sowie die bestehende Gesetzeslage an die Digitalisierung anzupassen.

Der neue Sachmangel

Nach alter Gesetzeslage war eine Sache nach einem Kauf frei von Mängeln, wenn sie der sogenannten vereinbarten Beschaffenheit entsprach. Im konkreten bedeutete dies: wurde vereinbart, dass ein PKW fahrtauglich sein soll und dieser fährt anschließend nicht, dann galt die Sache als mangelhaft. Lediglich wenn keine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung getroffen war, wurde auf weitere Kriterien abgestellt, wie die Eignung für die nach dem jeweiligen Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder die gewöhnliche Verwendung, die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Dieses System warf der Gesetzgeber nun über Bord und überarbeitete den Sachmangelbegriff gemäß § 434 BGB vollständig. Als wäre das nicht schon genug, entschied sich der Gesetzgeber noch dazu zwei weitere und eigenständige Sachmangelbegriffe für Sachen mit digitalen Elementen gemäß § 475b BGB sowie für Sachen mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente gemäß § 475c BGB einzuführen.

Mit dem neuen Sachmangelbegriff kommt auch ein neues System einher: Die Beschaffenheitsvereinbarung genießt keinen Vorrang mehr, sodass alle Anforderungen nun nebeneinanderstehen und zusammen, also kumulativ, vorliegen müssen. Nach neuem Recht ist eine Sache somit mangelfrei, wenn:

    • sie die vereinbarte Beschaffenheit hat
    • sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet
    • mit dem im Vertrag vereinbarten Zubehör und mit Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird
    • sich für die gewöhnliche Verwendung eignet
    • eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann
    • der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat,
    • mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann und
    • den Montageanforderungen entspricht.

Zwar scheint es so als würde der Gesetzgeber mit den Änderungen den Umfang des Sachmangels deutlich erweitern, allerdings handelt es sich bei vielen der neuen Voraussetzungen um bereits bekannte Rechtsprechung, die nun im Gesetz verankert wird. Das Kodifizieren hat für die Rechtsanwendung natürlich große Vorteile.

Der „digitale“ Begriff

Mit dem neuen Recht ab dem 1. Januar 2022 findet sich erstmalig auch der Begriff des digitalen Elements im Gewährleistungsrecht wieder. Weitere Begriffe, wie „digitale Inhalte“, „digitale Dienstleistungen“ und „digitale Produkte“ wurden insbesondere in den neuen Verbraucherverträgen über digitale Produkte gemäß §§ 327ff. BGB n.F. normiert.

Um die Verwirrung möglichst gering zu halten, erläutern wir den hier wesentlichen Begriff der digitalen Elemente, der die neuen Sachmangelbegriffe prägt.

Digitale Elemente hat eine Sache, „die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen kann“.

Am Beispiel einer Smart Watch (also einer intelligenten Armbanduhr), die ihre Funktionen nur mittels einer Anwendung (App), die vom Verbraucher auf ein Smartphone heruntergeladen werden muss, erfüllen kann, wollen wir Ihnen dies veranschaulichen:  Ohne die App kann die Funktion der Uhr nicht vollständig erfüllt werden, so dass der Hersteller und Verkäufer auch die App zur Verfügung stellen muss. Die Anwendung auf dem Smartphone ist dann das verbundene digitale Element zur Uhr.

Als Beispiel für eine „Sache mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente“ nach § 475c BGB könnte das Smartphone mit der Bereitstellung des Betriebssystems angeführt werden. Ohne das Betriebssystem wird das Smartphone oder ein Tablet nicht funktionieren. Die Sache kann somit nur mangelfrei sein, wenn das Betriebssystem dauerhaft (und funktionierend) bereitgestellt wird.

Welche Pflichten ergeben sich?

Besonders interessant wird die Gesetzesänderung hinsichtlich der sogenannten Aktualisierungspflicht und der dauerhaften Bereitstellung von digitalen Elementen.

Die Anforderungen an die Aktualisierungspflicht des Unternehmers sind in § 327f BGB n.F. geregelt. Danach hat der Unternehmer sicherzustellen, dass dem Verbraucher während des maßgeblichen Zeitraums Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts oder digitalen Elements erforderlich sind, bereitgestellt werden. Der Verbraucher muss über diese Aktualisierungen informiert werden. Zu den erforderlichen Aktualisierungen gehören auch Sicherheitsaktualisierungen.

Die Aktualisierungspflicht – oder auch Update-Pflicht – gilt sowohl für rein digitale Produkte (Programme, Apps, eBooks, Streamingdienste, Social-Media-Mitgliedschaften, Messenger-Dienste, Live-Trainings, Webinare) als auch für Waren mit digitalen Elementen.

Da der Gesetzgeber keine näheren Zeiträume für die Aktualisierungspflicht festgeschrieben hat, ist derzeit noch nicht sicher einzuschätzen, wie sich diese in der Praxis „einpendeln“ werden. Die Pflicht zur Aktualisierung soll sich nach den „Erwartungen“ des Käufers richten. Wie wir wissen, können die Erwartungen der Käufer und die Vorstellungen des Verkäufers jedoch weit auseinander liegen, daher bleibt hier die aktuelle Rechtsprechung der Gerichte im bzw. ab dem Jahre 2022 abzuwarten.

Verlängerte Beweislastregelung

Darüber hinaus ändern sich die Regelungen zur Beweislastumkehr. Bisher wird gemäß § 477 BGB vermutet, dass die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt. Für Kaufgegenstände verlängert sich die Beweislastumkehr auf nunmehr ein Jahr. Zeigt sich somit ein Sachmangel binnen eines Jahres nach Gefahrübergang, so wird zugunsten des Käufers und zulasten des Verkäufers vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Für Sie ist dies leider ein negativer Aspekt der Gesetzesänderung.

Garantiebedingungen und Garantieerklärung 

Die neuen Änderungen haben auch einen Einfluss auf die Garantieerklärungen und -bedingungen. Nach bereits bestehendem Recht muss eine Garantieerklärung (§ 443 BGB) einfach und verständlich abgefasst sein. Der Gesetzgeber nahm somit hinsichtlich der zu verwendenden Sprache keine Änderungen vor, so dass nach wie vor die Garantien in deutscher Sprache zu fassen sind.

Ebenfalls geltende Rechtslage ist, dass die Garantieerklärung das vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie sowie die Bestimmungen der Garantie, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes beinhalten muss. Neu hinzugekommen hingegen sind die Pflicht zur Angabe des Namens und der Anschrift des Garantiegebers sowie die konkrete Nennung der Ware, auf die sich die Garantie bezieht.

Der Hinweis auf die gesetzlichen Rechte, also die Gewährleistungsrechte, des Verbrauchers sowie die Unentgeltlichkeit der Geltendmachung dieser Rechte war ebenso bereits bekannt. Ergänzt werden muss dieser Pflichthinweis nunmehr dahingehend, dass nun deutlich hervorzuheben ist, dass die Garantie eine Verpflichtungdarstellt, die zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung besteht.

Ebenso neu ist, dass die Garantieerklärung dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Ein solcher dauerhafter Datenträger wäre bspw. eine E-Mail bzw. ein PDF im Rahmen einer E-Mail, nicht jedoch eine bloße Verlinkung.

Boden Rechtsanwälte stehen Ihnen als erfahrene Berater auf dem Gebiet des Vertragsrechts zur Verfügung. Nehmen Sie bei Fragen rund um Vertragsgestaltung, AGB oder Garantien gerne Kontakt zu uns auf – telefonisch unter +492113026340 oder per Mail an kanzlei@boden-rechtsanwaelte.

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