Brexit: No deal, no trademark?
Der Brexit ist ein bisschen so wie ein Besuch beim Zahnarzt. Das „Herumgeeiere“ der Briten nervt und man hofft, dass es einfach bald vorbei ist. Nachdem der von Theresa May und der EU ausgehandelte Deal im britischen Parlament gescheitert ist und auch der sogenannte Plan-B wenig Erfolgversprechendes zu bieten hat, stehen die Zeichen – so nicht doch noch das Wunder der Vernunft geschieht – auf ungeordnetem Brexit am 29. März 2019.
Der ungeordnete Brexit ist für alle Beteiligten – um bei dem Bild des Zahnarztes zu bleiben – wie eine Wurzelbehandlung. Anstatt jedoch wie erstarrt zu hoffen, dass doch einfach alles vorbeigehen möge, sind Inhaber von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern aufgerufen, in Anbetracht der unsicheren Situation jetzt schon Maßnahmen zu ergreifen, um sich ihre Rechte in Großbritannien zu sichern.
Die Behandlung von Unionsmarken nach einem ungeordneten Brexit
In Ermangelung gesetzlicher Regelungen zur Behandlung von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern bei Austritt eines Mitgliedstaates aus der EU hat die Europäische Kommission eine Mitteilung über die Behandlung von Unionsmarken nach einem ungeordneten Brexit herausgegeben.
Von Seiten der Kommission sind die Folgen eines ungeordneten Brexits für Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster denkbar einfach: auf dem nur zwei Seiten umfassenden Dokument lässt die Kommission knapp verlauten, dass mit Austritt Großbritanniens aus der EU am 29. März 2019 das Gebiet Großbritanniens nicht mehr von der Unionsmarke und dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster abgedeckt ist. Der Schutz der Unionsmarke und des Gemeinschaftsgeschmacksmusters beschränkt sich ab dem Austrittstag nur noch die verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten.
Die schlichte Tatsache, dass mit dem Austritt Großbritannien nicht mehr zum Gebiet der Europäischen Union gehört und damit europäische Schutzrechte dort keine Wirkung mehr entfalten, mag rechtlich konsequent und richtig sein, lässt die Inhaber von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern mit der Frage nach dem Schicksal ihrer Schutzrechte in Großbritannien alleine. Der Umgang mit dem britischen Teil europäischer Schutzrechte liegt nach dem Brexit allein in britischer Hand. Zumindest scheint Großbritannien den Ernst der Lage erkannt zu haben und will die Inhaber von rund 1,7 Millionen Unionsmarken und 200.000 Gemeinschaftsgeschmacksmustern auch nach einem ungeordneten Brexit nicht schutzlos zurücklassen.
Whitepapers zum Umgang mit europäischen Schutzrechten
In diesem Zusammenhang hat auch das British Intellectual Property Office mehrere Whitepapers zum Umgang mit europäischen Schutzrechten nach einem ungeordneten Brexit herausgegeben. Für den Fall, dass Großbritannien die EU am 29. März 2019 ohne Deal verlässt, kündigt das British Intellectual Property Office an sicherzustellen, dass Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster weiterhin Schutz genießen.
Mit dem Austritt Großbritanniens soll mit minimalem administrativem Aufwand für Rechteinhaber ein neues britisches Schutzrecht in Kraft treten, das so behandelt wird, als sei es nach britischem Recht eingetragen worden. Für Unionsmarken- oder Gemeinschaftsgeschmacksmusteranmelder soll die Möglichkeit einer Nachanmeldung geschaffen werden. Gleiches soll für Internationale Schutzerstreckungen auf die EU nach dem Madrider und Haager Abkommen gelten. Geplant ist eine Übergangsphase von neun Monaten, innerhalb derer die entsprechenden Anträge beim British Intellectual Property Office gestellt werden können.
Trotz der beruhigenden Aussage des British Intellectual Property Office, dass Inhaber europäischer Schutzrechte nach dem Brexit nicht automatisch ihren Schutz verlieren, bleiben diverse Fragen offen. Die Umwandlung des britischen Teils der Unionsmarke oder des Gemeinschaftsgeschmacksmusters in ein originäres britisches Schutzrecht soll laut Aussage des Whitepapers mit minimalem administrativem Aufwand erfolgen. Was unter darunter zu verstehen ist, bleibt im dunklen. Sicher ist, dass die Rechteinhaber proaktiv die Umwandlung oder die Nachanmeldung beantragen müssen, was mit Kosten in ungenannter Höhe verbunden sein wird. Es gilt die Neunmonatsfrist und nationale britische Vorschriften zu beachten. Für Rechteinhaber vom Kontinent oder Irland beinhaltet das auch, dass ein britischer Vertreter benannt werden muss, was weitere Kosten verursacht.
EuGH-Rechtsprechung nach Brexit
Weiter bleibt die Frage offen, wie nach einem ungeregelten Brexit mit juristischen Auseinandersetzungen verfahren wird, bei denen europäische Schutzrechte involviert sind. Eine klare Antwort darauf liefert das Whitepaper nicht. Offen bleibt auch die Frage inwieweit das britische Marken- und Geschmacksmusterrecht mit dem Unionsrecht kompatibel bleibt, da britische Gerichte nach dem Brexit nicht mehr an die EuGH-Rechtsprechung gebunden sind. Ohne entsprechende Regelung kann es hier zu widerstreitenden Ergebnissen kommen.
Auch über die Frage der rechtserhaltenden Benutzung müssen sich Unionsmarkeninhaber Gedanken machen. Laut europäischem Recht genügt für eine rechtserhaltende Benutzung einer Unionsmarke die Benutzung in nur einem Mitgliedsstaat. Wird die Unionsmarke derzeit nur in Großbritannien benutzt, kann sie nach dem Brexit für die verbleibende EU der Löschung wegen Nichtbenutzung anheimfallen. Unionsmarkeninhaber, die ihre Marke derzeit ausschließlich in Großbritannien benutzen sind also gut beraten, die Benutzung in einem weiteren EU-Mitgliedsstaat aufzunehmen.
Gute Nachrichten gibt es indes in Bezug auf das Institut des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Dieses wird laut Whitepaper weiterhin in Großbritannien Geltung beanspruchen können. So ist zumindest im Rahmen des Schutzes des nichteingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ein eingeschränkter Nachahmungsschutz unabhängig von einem Brexit-Deal gewährleistet.
Fragen zum Thema Erschöpfung bleiben ebenfalls weitgehend ungeklärt. Gewerbliche Schutzrechte verleihen ihren Inhabern ausschließliche Rechte, unter anderem das Recht, den Vertrieb eines geschützten Produkts zu kontrollieren. Die Erschöpfung gewerblicher Schutzrechte bezieht sich auf den Verlust des Rechts, den Vertrieb und den Weiterverkauf eines Produkts zu kontrollieren, nachdem es in einem bestimmten Territorium durch den Rechteinhaber oder mit dessen Zustimmung in Verkehr gebracht wurde. Das entsprechende Whitepaper des British Intellectual Property Office zum Thema Erschöpfung geht davon aus, dass Großbritannien auch nach einem ungeordneten Brexit Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) bleibt. Sollte dies der Fall sein, soll weiterhin die regionale Erschöpfungsregelung des EWR anerkannt werden, um Unternehmen und Verbrauchern Kontinuität zu gewährleisten. Es verbleiben aber Unsicherheiten bei Parallelexporten von Gütern aus Großbritannien in die EU.
Schlussendlich bleibt es bei vielen Unwägbarkeiten „Hättes“ und „Solltes“. Die Whitepaper sind schlichte Absichtserklärungen ohne Bindungswirkung. Was dann tatsächlich am 29. März 2019 passiert, steht in den Sternen. Was bleibt zu tun?
Abwarten und Tee trinken kann nicht die Lösung sein
Wie eingangs gesagt, ist Abwarten die denkbar schlechteste Idee. Wenn sich Großbritannien und die EU schon nicht auf eine „Scheidungsfolgenregelung“ einigen können, sollten Inhaber europäischer Schutzrechte das Heft selbst in die Hand nehmen und eigenverantwortlich über ihre Rechte in Großbritannien entscheiden. Dazu gehört zunächst, sich zu vergegenwärtigen, ob der britische Markt überhaupt relevant ist. Diejenigen, die Ihre Waren oder Dienstleistungen außerhalb Großbritanniens vermarkten und keine Ambitionen auf dem britischen Markt haben, können einem ungeordneten Brexit in der Regel gelassen entgegensehen.
Anders ist dies, sobald Interesse am britischen Markt besteht. Unbeschadet der Ankündigung, es werde eine Übergangsfrist für die Umwandlung von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster in äquivalente britische Schutzrechte geben, können sich Inhaber von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern bereits jetzt über das Madrider bzw. Haager Abkommen nationalen Schutz in Großbritannien sichern.
Sowohl Großbritannien als auch die EU sind Vertragspartner, so dass Marken- bzw. Geschmacksmusterschutz im Wege einer Internationalen Registrierung über die World Intellectual Property Organization (WIPO) in Genf auf Großbritannien erstreckt werden kann. Hierzu ist zunächst auch kein britischer Inlandsvertreter erforderlich. Dieser kommt erst bei etwaigen Beanstandungen oder Widersprüchen ins Spiel. Gleiches gilt auch für Schutzrechtsanmelder. Die Internationale Schutzrechtserstreckung kann bereits auf Basis der Unionsmarken- bzw. Gemeinschaftsgeschmacksmusteranmeldung erfolgen.
Für alle die, die noch immer auf einen Verbleib Großbritanniens in der EU hoffen und keine zusätzliche Schutzerstreckung über die WIPO erreichen wollen, sind gut beraten, sich rechtzeitig einen passenden Inlandsvertreter in Großbritannien zu suchen. Es ist durchaus damit zu rechnen, dass viele Rechteinhaber aufgrund der unsicheren Situation zunächst untätig bleiben und den Ausgang der Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU abwarten. Wenn es dann zu einem ungeordneten Brexit mit kurzen Übergangsfristen kommt, besteht das Risiko, dass die britische Anwaltschaft den Ansturm nicht bewältigen kann. Dann ist mit erhöhten Anwaltshonoraren und schlimmstenfalls dem Verlust des Schutzrechts für Großbritannien zu rechnen.
Wenn Sie Fragen zum Thema Brexit und Ihren Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern haben, sprechen Sie uns an.