Corona, Recht und Digitalisierung – Teil 2: Force Majeure-Klauseln und Vertragsgestaltung in Zeiten von COVID-19
Im heutigen Teil unserer Themenreihe „Corona, Recht und Digitalisierung“ geht es um ein Thema, das nicht nur für IT-Unternehmen und Software-Entwickler, sondern branchenübergreifend von Relevanz ist, nämlich die Möglichkeiten einer „krisensicheren“ Vertragsgestaltung durch sogenannte Force Majeure-Klauseln.
Force Majeure-Klauseln als Instrument der Vertragsgestaltung und Risikoabsicherung
„Force Majeure“ oder „höhere Gewalt“ sind aufgrund der COVID-19-Pandemie juristische Schlagworte, mit denen sich viele Unternehmen derzeit vertieft auseinandersetzen müssen. Die um diese Stichworte kreisenden Fragen betreffen dabei nicht nur die die Bewältigung der aktuellen Corona-Krise, sondern auch das Thema, welche Möglichkeiten im Rahmen der Gestaltung von Verträgen bestehen, um sich künftig gegen weitere Infektionswellen oder vergleichbare Szenarien abzusichern.
„Force Majeure“-Klauseln sind ein gängiges Instrument zur vertraglichen Risikoverteilung und präventiven Regelung der Rechtsfolgen unvorhergesehener Krisensituationen. Nachdem der Ausbruch von COVID-19 Unternehmen vor Augen geführt hat, wie störanfällig das global vernetzte, auf internationalem Güter- und Dienstleistungsverkehr beruhende Wirtschaftssystem ist, werden Force Majeure-Klauseln in Zukunft bei der Gestaltung von Vertragsverhältnissen eine noch wichtigere Rolle spielen müssen als bislang der Fall.
Was sollte eine Force Majeure-Klausel enthalten?
Vor der Bestimmung der Rechtsfolge einer Force Majeur, ist zunächst eine Definition des Begriffs der höheren Gewalt bzw. der Force Majeure erforderlich. Das kann durch eine nicht abschließende Aufzählung der Fälle geschehen. Dabei sollten aber diejenigen Konstellationen, die in jedem Falle von der Force Majeure-Klausel erfasst sein sollen, auch ausdrücklich genannt werden. Dadurch können spätere Streitigkeiten über die Auslegung und Reichweite der Force Majeure-Klausel vermieden werden. Mit Blick auf die Corona-Pandemie sollten daher etwa Epidemien, Pandemien, Seuchen und behördliche Maßnahmen wie z.B. Quarantäneanordnungen ausdrücklich aufgezählt werden. Typische Force Majeure-Klauseln nennen zum Beispiel auch Arbeitskämpfe, Unruhen, kriegerische oder terroristische Auseinandersetzungen. Je nach Branche sowie Vertragstypus können die in Betracht kommenden Fälle höherer Gewalt variieren. Die Begriffsbestimmung, wann Force Majeure vorliegt, sollte dem entsprechend gestaltet werden.
Rechtsfolgen der Force Majeure-Klausel
Kernstück der Force Majeure-Klausel ist die Regelung der Rechtsfolge. Die wichtigste Botschaft vorweg: das Risiko höherer Gewalt vollständig auf den Vertragspartner abzuwälzen, ist bei einer Force Majeure-Klausel, die Bestandteil allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) ist, nicht möglich. Absolut „krisensichere“ AGBs gibt es also nicht. AGB liegen dabei übrigens häufig vor, ohne dass sie als solche bezeichnet werden müssen. Denn verwendet ein Unternehmen den gleichen Vertrag in mehreren Fällen gegenüber seinen Kunden, kann das Vertragswerk bereits als AGB gewertet werden und einer strengeren gesetzlichen Kontrolle unterliegen.
Zunächst sollte darauf geachtet werden, dass die Formulierung der Klausel nicht gegen das Transparenzgebot von § 307 I 2 BGB verstößt. Die Klausel darf also nicht missverständlich formuliert werden. Welche weiteren Hürden nach dem AGB-Recht gemäß den §§ 305 ff. BGB bestehen, hängt davon ab, ob ein Vertrag mit Verbrauchern vorliegt oder mit Unternehmern. Im letzteren Fall gelten die Regeln der §§ 310, 307 BGB, wonach es darauf ankommt, ob durch die Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners erfolgt. Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände geprüft werden. Gegenüber Verbrauchern gelten die strengeren Regeln der §§ 307, 308, 309 BGB. Eine Klausel, die das Risiko einer Force Majeure einseitig dem Vertragspartner auferlegt, in dem sie bei Eintritt höherer Gewalt die eigene Leistungspflicht entfallen lässt, zugleich aber die Pflicht zur Gegenleistung (z.B. Bezahlung) aufrecht erhält, wird wegen unangemessener Benachteiligung als unwirksam anzusehen sein. Mehr Gestaltungsfreiheit als bei einseitig gestellten AGBs besteht dann, wenn die Force Majeure-Klausel auf einer individuellen Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien beruht. In dem Fall gelten die weiter gezogenen Grenzen der gesetzlichen Verbote (§ 134 BGB), der Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB) und des Treu und Glaubens (§ 242 BGB).
Welche Rechtsfolgen in der Force Majeure-Klausel im Rahmen der oben skizzierten Grenzen festgelegt wird, hängt davon ab, welche Maßnahmen sich je nach Vertragstypus, Branche, zeitlichen Rahmenbedingungen etc. als geeignete Reaktion auf die Force Majeure anbieten. Die genaue Rechtsfolge sollte daher für den jeweiligen Vertrag formuliert werden. Typische Rechtsfolgen, die in Force Majeure-Klauseln festgelegt werden können, sind etwa die Suspendierung von der Leistungspflicht für die Dauer der höheren Gewalt, Ausschluss von Schadensersatzpflichten, ein Kündigungsrecht oder ein Recht auf Anpassung des Vertrages. Häufig findet sich in den Rechtsfolgen auch eine Pflicht zur unverzüglichen Benachrichtigung über Leistungshindernisse. Auf diese Weise lassen sich Verträge durch Force Majeure-Klauseln so gestalten, dass wirtschaftliche Risiken teilweise eingeschränkt werden und Rechtssicherheit darüber herrscht, welche rechtlichen Mechanismen bei Eintritt einer Force Majeure in Gang gesetzt werden sollen.
Boden Rechtsanwälte stehen Ihnen als erfahrene Berater bei Rechtsfragen rund um die Vertragsgestaltung gerne zur Verfügung. Nehmen Sie für eine flexible und lösungsorientierte Beratung Kontakt zu uns per Mail an kanzlei@boden-rechtsanwaelte.de oder telefonisch unter +492113026340 auf.