Abmahnwelle wegen Porno-Streaming
Nur Säbelrasseln der Rechteinhaber oder berechtigte Interessenverfolgung. Was ist dran an den Abmahnungen wegen Porno-Streaming auf Redtube?
Was ist passiert?
Eine Welle an Abmahnungen überschwemmte tausende Internetnutzer. Die Regensburger Rechtsanwaltskanzlei Urmann + Collegen verschickte im Auftrag einer Schweizer Firma („The Archive AG“) an mehrere tausend angebliche Porno-Gucker Abmahnungen.
Die Betroffenen sollen auf der Videoplattform Redtube.com unerlaubt Porno-Streams geschaut haben. Nach Meinung der Rechteinhaber sollen sie dafür nun büßen. In den Schreiben der Anwaltskanzlei wird neben der Abgabe einer Unterlassungserklärung auch die Zahlung von Anwaltsgebühren und Schadensersatz gefordert. Das Landgericht Köln hat durch die Rechtsinhaberin beantragte Beschlüsse Internet-Provider dazu verpflichtet, die Identität von Nutzern Preis zu geben, die sich die Film-Streams angeschaut haben sollten.
Was ist neu?
Abmahnungen wegen Rechtsverletzungen im Internet sind freilich nichts Neues. Gerade wegen der Nutzung von Filesharingplattformen wie Edonkey oder Emule schlugen Abmahner schon seit Längerem wild um sich. Wer urheberrechtlich geschützte Filme ohne Erlaubnis aus dem Internet auf seinen Rechner speichert, muss rechtliche Konsequenzen fürchten. Der Download auf der Festplatte wird als Vervielfältigung (§ 16 UrhG) des Werkes angesehen. Eine solche darf grundsätzlich nur mit Zustimmung des Rechteinhabers erfolgen.
Beim Streaming verhält es sich aber anders. Der Film wird bekanntermaßen gerade nicht auf der Festplatte gespeichert. Er wird nur zeitweise in den Arbeitsspeicher des Computers zwischengespeichert. Ob diese temporäre Zwischenspeicherung das Urheberrecht verletzt, ist bisher rechtlich völlig ungeklärt.
Sind die Abmahnungen berechtigt?
Mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ kann man auf diese Frage nicht antworten. Denn die Frage, ob Streaming eine Rechtsverletzung darstellt oder nicht, ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt worden.
Streaming als Rechtsverletzung zu sehen, ist zweifelhaft. Die gesetzliche Lage dürfte eher dagegen sprechen.
Nach § 44a UrhG sind unter engen Voraussetzungen vorübergehende Vervielfältigungshandlungen ausdrücklich zulässig. Dass das Streaming hierunter fällt, erscheint naheliegend. In der Fachliteratur wird dies jedoch unterschiedlich gesehen.
Selbst wenn man das Streaming als Vervielfältigung einstuft, bleibt im konkreten Fall die Frage, ob es sich bei dem Video um eine rechtswidrige Kopie handelt. Nach § 53 Abs. 1 UrhG sind einzelne Kopien eines Werkes zum privaten Gebrauch nämlich grundsätzlich zulässig, sofern sie nicht zu Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Die Frage lautet also: werden die Filme auf Redtube offensichtlich rechtswidrig zugänglich gemacht? Kann der Nutzer erkennen, dass er mit Anklicken und Betrachten der Filme eine rechtswidrige Handlung vornimmt? Bei Redtube sind keine aktuellen Hollywoodstreifen abrufbar, aufgrund derer sich eine Illegalität aufdrängen würde. Es sind dort auch völlig legale Videos verfügbar. Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft von einer offensichtlichen rechtswidrigen Verbreitung zu sprechen.
Die ersten Abmahnopfer haben sich bereits mit sog. negativen Feststellungsklagen zur Wehr gesetzt. Natürlich ist am Ende des Tages die Ansicht der Rechtssprechung entscheidend. Derzeit wird man sich an dieser Stelle nur mit dem unter Juristen genauso häufig wie nutzlosen Äußerung zu begnügen haben: „Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtssprechung entscheidet“. Die Chancen des Abmahnopfers dürften jedoch nicht allzu schlecht stehen.
Was kann man als Betroffener tun?
Wer eine Abmahnung erhält, sollte keinesfalls „die Hände in den Schoß legen“ und diese ignorieren. Es könnte dann eine einstweilige Verfügung der Gegenseite drohen. Allerdings sollte dagegen keinesfalls jede Abmahnung hingenommen werden und blind eine Unterlassungserklärung unterschrieben werden. Eine negative Feststellungsklage kann als Abwehrmaßnahme erhoben werden.
Nicht nur die Grundsatzfrage der Illegalität von Streaming steht im Raum. Daneben ist jede einzelne Abmahnung kritisch zu betrachten.
Insbesondere sollte Folgendes beachtet werden:
Es muss geprüft werden, ob die Abmahnung zunächst überhaupt echt ist oder ein Betrugsversuch eines „Trittbrettfahrers“ darstellt. Es kursieren zurzeit einige „Fake-Abmahnungen“. Zu prüfen ist auch, ob die Abmahnung hinsichtlich der Höhe, insbesondere bzgl. des festgelegten Streitwertes, berechtigt ist. Nicht zuletzt darf die Frage außer Acht gelassen werden, wie die Antragsstellerin an die Daten des Betroffenen gelangt ist. Ein kritischer Blick auf die beigefügte Unterlassungserklärung darf nicht ausbleiben. Diese darf vor allem nicht zu weit gefasst sein.
In jedem Fall ist schnelles Handeln geboten. Die Abgabe der Unterlassungserklärung ist nämlich meist mit einer kurzen Frist (ein bis zwei Wochen) verbunden. Ist eine einstweilige Verfügung ergangen, wird man sich hiergegen nur gerichtlich wehren können. Ratsam ist zunächst eine Fristverlängerung zu beantragen (die allerdings nicht immer gewährt wird). Damit kann Zeit gewonnen werden, um die Berechtigung der Abmahnung zu prüfen bzw. prüfen zu lassen. Betroffene sollten sich an die Verbraucherzentrale (www.vz-nrw.de) oder an einen fachkundigen Rechtsanwalt wenden.
Bildquelle: ©iStockphoto.com/Pashalgnatov
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