Abmahnung erhalten?

Geschäftsführerhaftung für Wettbewerbsverstöße

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Besteht eine persönliche Geschäftsführerhaftung bei wettbewerbsrechtlichen Rechtsverletzungen, die durch die von ihm geführte Gesellschaft begangen wurden?

Der einfache Fall der Geschäftsführerhaftung: persönliche Begehung von Rechtsverletzungen

Ein klarer Fall der persönlichen Haftung des Geschäftsführers für einen Wettbewerbsverstoß der von ihm vertretenen Gesellschaft liegt vor, wenn der Geschäftsführer die Rechtsverletzung selbst begangen oder in Auftrag gegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1963 – Ib ZR 15/62, GRUR 1964, 88, 89 – Verona-Gerät; Urteil vom 23. Mai 1985 – I ZR 18/83, GRUR 1985, 1063, 1064 = WRP 1985, 694 – Landesinnungsmeister). In diesen Fällen erfüllt der Geschäftsführer nämlich in eigener Person die jeweiligen Haftungsvoraussetzungen.

Differenzierte Betrachtung: Rechtsverletzungen durch Angestellte

Problematisch ist indes die Frage der Haftung, wenn nicht der Geschäftsführer in eigener Person die Wettbewerbsverstöße begangen hat, sondern die Rechtsverletzungen durch Angestellte der Gesellschaft begangen worden sind.

Abkehr von der Störerhaftung im Wettbewerbsrecht

Nach der älteren Rechtsprechung haftet der Geschäftsführer auch dann für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft, wenn er von ihnen Kenntnis hatte und es unterlassen hat, sie zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1985 – I ZR 86/83, GRUR 1986, 248, 251 – Sporthosen; BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – I ZR 279/02, GRUR 2005, 1061, 1064 = WRP 2005, 1501 – Telefonische Gewinnauskunft). Da die Grundlage hierfür die Rechtsfigur der Störerhaftung im Wettbewerbsrecht darstellte, die Rechtsprechung von dieser zwischenzeitlich aber Abstand genommen hat, kann von einer so weit gehenden Geschäftsführerhaftung nicht mehr ausgegangen werden.

Grundlage dafür war die Störerhaftung im Wettbewerbsrecht, also die Haftung desjenigen, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsgutes beiträgt. Dieser konnte dann als Störer auf Unterlassung der Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden. Die Rechtsfigur der Störerhaftung in Fällen des sogenannten Verhaltensunrechts, um die es bei Wettbewerbsverstößen/UWG-Verstößen geht und in denen keine Verletzung eines absoluten Rechts in Rede steht, ist vom BGH indes spätestens in seiner Entscheidung „Kinderhochstühle im Internet I“ (Urteil vom 22. Juli 2010 – I ZR 139/08) endgültig aufgegeben worden. In diesem Urteil stellte der 1. Zivilsenat ausdrücklich fest, dass eine Störerhaftung in den dem Verhaltensunrecht zuzuordnenden Fällen nicht in Betracht käme. Dadurch wird die zivilrechtliche Störerhaftung auf Fälle der Verletzung von absoluten Rechten (klassische Beispiele: Marken-, Kennzeichen-, Urheber- oder Persönlichkeitsrechte) beschränkt.

Daraus folgt: Es besteht keine Störerhaftung mehr für Wettbewerbsverstöße, die nicht auf Verletzung eines absoluten Rechts, sondern auf Verhaltensunrecht basieren. Stattdessen ist eine Haftung nur noch nach den deliktsrechtlichen Grundsätzen der Täterschaft und Teilnahme möglich, vgl. BGH, ebenda; BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – I ZR 54/11 – Solarinitiative.

Haftung nach deliktischen Grundsätzen: Täterschaft und Teilnahme

Hat ein Geschäftsführer eine Rechtsverletzung nicht selbst begangen oder in Auftrag gegeben, kommt nach der Abkehr von der wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung vor allem eine Haftung wegen Unterlassens nach deliktsrechtlichen Grundsätzen in Betracht.

Dafür dass ein täterschaftliches, einem positiven Tun entsprechendes Unterlassen vorliegt, ist erforderlich, dass eine Garantenpflicht des Täters gegenüber dem Verletzten gegeben ist – er also rechtlich dafür einzustehen hat, dass der tatbestandliche Erfolg nicht eintritt, vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 – VI ZR 341/10. Diese kann sich aus Ingerenz (gefahrbegründenden Vorverhalten), gesetzlichen oder vertraglichen Schutzpflichten oder aus Vertrauen ergeben, vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2014 – I ZR 242/12 – Geschäftsführerhaftung.

Abgrenzungsschwierigkeiten können sich hinsichtlich der Frage der Garantenpflicht aus gefahrbegründendem Vorverhalten (Ingerenz) ergeben. Grundsätzlich erscheint es nämlich denkbar, diese auch schon bei bloßer Kenntnis des Geschäftsführers über in seinem Geschäftsbetrieb begangene Wettbewerbsverstöße zu bejahen. Der BGH stellte in der „Geschäftsführerhaftung“-Entscheidung indes klar, dass allein die Organstellung und die allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb keine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern, begründe. Eine solche Pflicht – welche auch die Pflicht zur Vermeidung einer unzureichenden Betriebsorganisation umfasse – bestünde nur gegenüber der eigenen Gesellschaft, nicht aber ohne Weiteres gegenüber Dritten. Eine Ingerenz könne sich nur aufgrund besonderer Umstände ergeben. Ein gefahrbegründendes Vorverhalten sei etwa dann zu bejahen, wenn ein Geschäftsführer sich bewusst der Möglichkeit entziehe, überhaupt Kenntnis von etwaigen Wettbewerbsverstößen in seinem Unternehmen oder von ihm beauftragter Drittunternehmen zu nehmen und dementsprechend Einfluss zu ihrer Verhinderung ausüben zu können. Dies sei etwa der Fall, wenn ein Geschäftsführer sich dauerhaft im Ausland aufhalte.

Fazit

Aufgrund der neueren Rechtsprechung unterliegt die persönliche Haftung des Geschäftsführers bei Abmahnungen wegen Wettbewerbsverstößen deutlich engeren Grenzen als zuvor. Alleine die Kenntnis begründet nunmehr noch keine persönliche Geschäftsführerhaftung für Wettbewerbsverstöße. Die „Geschäftsführerhaftung“-Entscheidung des BGH gibt vor: „Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft besteht danach nur, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen“. Auch diese Voraussetzungen werden relativ eng bemessen. Eine Garantenstellung wegen Ingerenz ist dem BGH zufolge nur bei besonderen Umständen, wie einem bewussten Sich-Entziehen der Möglichkeit, Kenntnis von Wettbewerbsverstößen zu nehmen, gegeben.

 

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