Es raschelt im europäischen Markenwald
Die Zeichen stehen schon länger auf Veränderung, die jetzt allmählich Formen annehmen. Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben sich auf eine Änderung der Markenrichtlinie 2008/95/EC und der Gemeinschaftsmarkenverordnung 207/2009/EC verständigt. Die Änderungen befinden sich derzeit in der Überprüfungsphase, um dem europäischen Parlament zur Abstimmung vorgelegt zu werden. Damit könnten die Änderungen schon am Jahresende verabschiedet werden und innerhalb der darauffolgenden sechs Monate implementiert werden. Diese Information klingt zunächst sehr abstrakt und kryptisch. Was heißt das für Markenanmelder, was verändert sich und welche Vor- oder Nachteile sind damit verbunden?
Die Gemeinschaftsmarke ist unbestritten ein Erfolgsmodell. Allein 2014 wurden 117.464 Anträge auf Eintragung einer Marke gestellt (HABM Jahresbericht 2014 https://www.markenservice.net/blog/habm-jahresbericht-2014/). Kein Wunder, bekommt man doch mit einem Antrag für eine relativ überschaubare Gebühr Markenschutz im alles 28 EU Mitgliedsstaaten. Dies ist für Markeninhaber, die ihre Waren und Dienstleistungen auch im europäischen Ausland anbieten, ein ungemeiner Vorteil gegenüber einzelnen nationalen Markenanmeldungen, die mit einem Vielfachen an Kosten verbunden sind.
Wenn doch aber alles so toll ist, warum dann Änderungen? Die angestrebten Reformen sollen das bereits bestehende System der Gemeinschaftsmarke noch einfacher, kosteneffizienter und schneller machen. Weitere Ziele sind effektiverer Schutz gegen Markenpiraterie und eine Verbesserung der Vereinbarkeit der Gemeinschaftsmarke mit nationalen Markensystemen.
Das klingt nach ehrbaren Zeilen, aber was steckt genau dahinter? Es wird eine Fülle kleiner und größerer Änderungen geben. Für Markenanmelder hier die Wichtigsten:
1. Markenformen
Bekanntermaßen gibt es unterschiedliche Markenformen, darunter Wortmarken, Bildmarken und Hörmarken, um nur einige der klassischen Markenformen zu nennen. Voraussetzung für die Eintragung einer Marke war bisher das Erfordernis der grafischen Darstellung. Die Voraussetzung der grafischen Darstellung soll nun dahingehend geändert werden, dass es für die Eintragungsfähigkeit einer Marke ausreichend sein soll, so dargestellt zu werden, dass das Amt und der Verkehr sich einen klaren Eindruck des geschützten Zeichens verschaffen kann. Diese Änderung soll insbesondere eine Vereinfachung der Eintragungsfähigkeit von Farben und Geräuschen dienen. Möglicherweise gibt es dann zukünftig Marken auf Motorengeräusche, das Knacken von Keksen oder dem Öffnen von Dosen. Wie das konkret aussehen soll, wird die Zeit zeigen.
2. Absolute und relative Zurückweisungsgründe
Eine Marke wird nicht zur Eintragung zugelassen, wenn ihr absolute oder relative Zurückweisungsgründe entgegenstehen. In Bezug auf die absoluten Zurückweisungsgründe listet die Gemeinschaftsmarkenverordnung einen Katalog von absoluten Zurückweisungsgründen auf. Dieser Katalog soll um zwei weitere Punkte ergänzt werden. Hier soll die Verordnung zum einen um Zurückweisungsgründe bezüglich geschützter geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen, traditioneller Bezeichnungen für Weine, Spezialitäten und Pflanzenvariationen ergänzt werden. Ein klares Bekenntnis der EU Staaten dazu, dass die Nürnberger Rostbratwurst auch zukünftig aus Nürnberg kommen muss – und ein kleiner Seitenhieb auf TTIP?
Zum anderen wird als absoluter Zurückweisungsgrund eingefügt, was längst gängige Praxis ist. Begriffe, die in eine offizielle Sprache eines Mitgliedsstaates übersetzt werden können, gelten als beschreibend. Hier also nichts wirklich Neues.
Bei relativen Zurückweisungsgründen handelt es sich um Einwände, die von Inhabern älterer identischer oder ähnlicher Marken gegen eine Markenanmeldung erhoben werden können. Die Definition älterer Marken mit Bekanntheit soll künftig auch identische und ähnliche Waren- und Dienstleistungen umfassen. Damit wird findet die Rechtsprechungspraxis der europäischen Gerichte Einzug in die Verordnung und wird geltendes Recht. Insofern ändert sich für die Praxis nichts, außer, dass nunmehr Rechtssicherheit geschaffen wurde.
Weiterhin wird noch diskutiert, ob „Bösgläubigkeit“ in den Katalog der Widerspruchsgründe aufgenommen werden soll, wenn der Widerspruchsführer ein Markenrecht außerhalb der EU innehat. Dies würde insgesamt eine Stärkung der Rechte von Markeninhabern bedeuten und Markenpiraterie in Form von „Wegschnappen“ einer EU Marke eine Riegel vorschieben.
3. Eigener Name
Grundsätzlich sind auch Namen dem Markenrecht zugänglich. Es scheint sich herauszukristallisieren, dass eine Regelung getroffen werden soll, mit der nur die Verteidigung des Personennamens ermöglicht werden soll. Sogenannte Künstlernamen sollen dann wohl nicht aus dem Namensrecht heraus verteidigt werden.
4. Gebühren
Für den Anmelder das Wichtigste sind natürlich die Gebühren. Derzeit wird bei einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung mit bis zu 3 Klassen eine Amtsgebühr in Höhe von 900 € fällig. Bei 28 Mitgliedsstaaten sind das etwas mehr als 30 € pro Land – also ein absolutes Schnäppchen!
Offenbar wurde festgestellt, dass viele Anmelder Waren und Dienstleistungen in Klassen anmelden, die sie eigentlich nicht benötigen, nur um die drei in der Grundgebühr enthaltenen Klassen auszuschöpfen. Das führt naturgemäß dazu, dass das Register mit nutzlosem Ballast überfrachtet wird. Daher soll die Grundgebühr künftig nur noch eine Klasse enthalten und für weitere Klassen zusätzliche Klassengebühren erhoben werden. Das Amt verspricht sich davon zielgerichtete Anmeldungen. Es ist eine Preissenkung von bis zu 37% im Gespräch. Nach bisherigen Planungen soll die Grundgebühr 850 € betragen, für die zweite Klasse sollen 50 € und für die dritte Klasse 150 € fällig werden. Für jede weitere Klasse werden ab der vierten Klasse wie bisher 150 € berechnet. Auch die Verlängerungsgebühren sollen in der Grundgebühr für eine Klasse auf 850 € gesenkt und für weitere Klassen entsprechend angepasst werden.
Darüber hinaus soll die Gebühr künftig mit Anmeldung fällig werden und nicht wie bisher innerhalb eines Monats ab Anmeldung. Hierdurch soll der Ablauf gestrafft und effizienter gestaltet werden und Markenanmelder sollen nicht für eine bestimmte Anzahl von Klassen bezahlen, die sie nicht benötigen.
5. Kollisionsberichte und Recherchen
Überflüssiges soll abgeschafft werden. Künftig können die Anträge für die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke nur noch direkt beim HABM gestellt werden. Die Möglichkeit, den Antrag über ein nationales Markenamt zu stellen fällt weg.
Des Weiteren versendet das Amt auch keine Mitteilungen über identische/ähnliche Markenanmeldungen und führt auch keine Recherchen mehr durch. Die Abschaffung dieser Services wird wohl niemand vermissen, da von diesen Optionen offenbar kaum Gebrauch gemacht wurde.
6. Waren und Dienstleistungsverzeichnisse
Eine der für Anmelder spürbarste Veränderung wird die künftig erforderliche Spezifizierung der Waren und Dienstleistungsverzeichnisse betreffen. Künftig müssen die die Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse müssen künftig hinreichend klar und präzise gefasst werden. Allgemeine Begriffe sollen künftig nur noch solche Waren und Dienstleistungen repräsentieren, die vom eigentlichen Wortsinn umfasst sind. Damit wird die Möglichkeit abgeschafft, durch die Verwendung von Oberbegriffen in den Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen ein allzu weiten Schutzbereich für die Marke zu erhalten, um damit das Register für sich zu blockieren und leichtfertig Widerspruchsverfahren gegen andere Anmelder anzustrengen. Künftig ist daher vermehrt Augenmerk auf die Abfassung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses zu legen, um sicherzustellen, dass das Verzeichnis auch genau die Waren und Dienstleistungen enthält, die tatsächlich von der Marke umfasst sein sollen. Auch bei Widerspruchsverfahren muss dann noch intensiver geprüft werden, ob tatsächlich eine Verwechslungsgefahr zwischen den jeweiligen Zeichen besteht. Damit wird der Schutzbereich der Marke künftig enger aber auch leichter abgrenzbar.
Übrigens soll es für eingetragene Marken vor dem 22.06.2012 die Option geben, Spezifikationen zu ändern.
7. Transitverkehr
Eine weitere Änderung wird künftig die Behandlung von Piraterieware im Transitverkehr betreffen. Bislang wurde Ware, die nicht für den europäischen Markt bestimmt war, während des Transits durch die EU nicht als markenverletzend angesehen, es sei denn der Markeninhaber konnte beweisen, dass die Waren doch auf den europäischen Markt gebracht werden soll. Diesen Beweis zu führen ist jedoch schwierig bis unmöglich. Künftig soll auch Transitware als markenverletzend eingestuft werden können.
8. Vergleichende Werbung
Zur Regelung vergleichender Werbung gibt es in der EU die Richtlinie 2006/114/EC. Werden im Rahmen vergleichender Werbung künftig die Voraussetzungen der Richtlinie nicht erfüllt, hat der Markeninhaber einen Unterlassungsanspruch aus der Gemeinschaftsmarkenverordnung. Auch durch diese Neuregelung sollen die Rechte der Markeninhaber gestärkt werden.
9. Umbenennung der Gemeinschaftsmarke
Zum Schluss noch eine rein deklaratorische Änderung, mit der aber so einiges an Verwirrung aus der Welt geschaffen wird. Inzwischen ist den zuständigen Gremien nämlich aufgefallen, dass der Begriff „Gemeinschaftsmarke“ nicht korrekt ist. Die europäische Gemeinschaft, (EG), ist eine der drei Säulen der europäischen Union (EU). Die EG ist zuständig für den Erlass von Richtlinien und Verordnungen, während die EU der Staatenverbund bestehend aus derzeit 28 Mitgliedsstaaten ist. Richtig müsste es daher EU Marke heißen. Und so soll es auch kommen: die „Gemeinschaftsmarke“ soll künftig „Europäische Unionsmarke“ heißen, die Gerichte werden umbenannt in „Europäische Unionsgerichte für Marken“ und das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) soll künftig „Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum“ heißen. In Bezug auf Aufgabenverteilungen wird sich nichts ändern, das Kind hat nur endlich seinen richtigen Namen erhalten. Dem Aufschrei ob der „überflüssigen“ Kosten für eine Umbenennung sei entgegengehalten, dass aufgrund des Erfolges des europäischen Markensystems die Kassen voll sind.
Fazit: Weltbewegend werden die geplanten Änderungen für Markenanmelder nicht sein. Vieles, was bislang bereits gängige Praxis ist wird nun geltendes Recht. Es wird aber auch einige Änderungen in Bezug auf die bisherige Anmelde- und Eintragungspraxis geben, auf die sich Markenanmelder und die sie beratenden Patent- und Rechtsanwälte einstellen müssen. Ob die mit den Änderungen beabsichtigten Erfolge und Verbesserungen tatsächlich erzielt werden, bleibt abzuwarten. Aber wie heißt es so schön? – Wer rastet, der rostet.
(Quelle: Pressemitteilung der europäischen Kommission vom 21.04.2015 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-4823_en.htm m.w.N.)
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